Zeitreise

Bei der Gestaltung von Hotels gilt: Altes ist jetzt wieder neu

Übertritt man die Schwelle des Beekman, ein Hotel in New York, das Ende 2016 neu eröffnet wurde, hat man das Gefühl, sich auf eine anachronistische Reise in die Vergangenheit zu begeben. Das durch Tageslicht hell erleuchtete Atrium – ein ursprünglicher Teil des Gebäudes aus dem Jahr 1883 – bildet das Herzstück des Hotels und wurde von keinem Geringeren als dem Designer Martin Brudnizki entworfen. In den übrigen Bereichen des Gebäudes erhält das Dekor von damals einen frischen Touch.

In der Lobby stößt man auf antike persische Teppiche, die als Patchwork aneinandergenäht sind und den Bodenbereich der Rezeption zieren. Ein genauerer Blick auf die sechseckigen, schwarz-weißen Kacheln am Boden lässt erkennen, dass diese aus Marmor, und nicht aus Porzellan sind. In den Minibars der Gästesuiten gibt’s noch mehr zu entdecken. Was aussieht wie ein einfacher, mit Stoff überzogener Beistelltisch mit einem silbernen Tablett darauf, ist in Wirklichkeit ein kleiner Kühlschrank.

„Es erinnert ein wenig an Midnight in Paris, findet Robert Khederian, ein Social Media Manager, dessen Büro sich unweit des Hotels befindet und der sich einmal pro Woche in der Lobbybar des Beekman Hotels einen martini nach der Arbeit gönnt. „Es ist sexy. Ähnlich wie Sleep No More, nur ohne Masken.“ Er empfiehlt die Tische neben den großen Bücherregalen, von denen aus man einen tollen Blick aufs Atrium hat.

„Wir wollten wirklich ein vielschichtiges Design entwerfen, damit sich die Gäste im Hotel noch mehr zuhause fühlen“, erklärt Brudnizki, der Innenausstatter. „Gäste empfinden Hotels zunehmend als Zuhause fern von Zuhause. Deshalb haben wir besonders darauf geachtet, es mit der Innenausstattung nicht zu übertreiben.“ Ein wirkliches Zuhause vermittle ein – wie er es nennt – „gemeinschaftliches Gefühl“, bestehend aus Gegenständen, die über einen langen Zeitraum hinweg angesammelt wurden.

Diese interessante Mischung von Dingen mit einer gewissen Patina ist über die gesamte Hotellandschaft zu beobachten – vom demnächst zu eröffnenden Proper Hotel in San Francisco (gemäß der Website wurde es restauriert, damit es so aussieht, „als sei jedes kleinste Detail vor langer Zeit gezielt ausgewählt worden“) über das Ace Hotel in Downtown Los Angeles, bei dem nur mit großem Aufwand die edlen Dekors des ehemaligen United Artists Gebäudes erhalten werden konnten, bis hin zum NoMad Hotel in New York, für das eigens ein Kamin aus einem alten französischen Schloss als Mittelpunkt für ein üppig mit Brokat ausgestattetes Esszimmer eingeflogen wurde. Ein Stück weiter südöstlich können Sie in Ian Schragers New York Edition Hotel meisterhafte Stuckarbeiten und Gemälde in Goldrahmen bewundern, was umso bemerkenswerter ist, da Schrager zusammen mit Philippe Starck in den 1990ern und Anfang der 2000er zu den Pionieren für verspielt minimalistische Hoteldesigns zählte. Da kann es nur ein Zeichen sein, dass heutzutage nichts moderner ist als ein Ort, der so aussieht, als hätte es ihn schon immer gegeben.

Wenn es überhaupt einen Vorläufer für diese Bewegung geben kann, dann ist es das Hôtel Costes in Paris, das 1995 eröffnet wurde und seither viele neue Herbergen inspiriert hat. (Jacques Garcia, der zuständige Innenausstatter, hat auch das Innendesign für das NoMad entworfen.) Was dieses Hotel seit über 20 Jahren so liebenswert macht, ist die Art und Weise, wie es dem edlen französischen Design des 18. Jahrhunderts ein kunstvoll zeitgemäßes Flair verleiht. Die sorgfältig ausbalancierten Designideen sorgen für ein himmlisches Gefühl, das im gesamten Haus zu spüren ist.

„Das Hôtel Costes passt perfekt nach Paris und verkörpert die Stimmung und den Geist der Stadt auf perfekte Weise“, meint Mario Tricoci, CEO und Mitbegründer der Aparium Hotel Gruppe, die in diesem Frühjahr das Foundation Hotel in Detroit eröffnen wird. Das Hotel erfüllt das Gebäude der alten Feuerwehrhauptwache, deren Backsteine aus dem Jahr 1929 stammen, mit neuem Leben.

„Es war nicht das Hôtel Costes an sich, das uns inspiriert hat“, verrät Tricoci. „Es war vielmehr seine Kongruenz mit Paris und die Art, wie es die Seele der Stadt verkörpert. Wir sind inspiriert von einem echten und unverfälschten Lifestyle.“ Und sobald dieses Gefühl der Authentizität durchklingt, werden Hotels zu Orten, an denen sich die Menschen gerne aufhalten, anstatt zu angemieteten Räumen, in denen man sich nur zur Ruhe legt.
Das NoMad Hotel in New York ließ eigens einen antiken Kamin als Mittelpunkt für eines seiner wunderschönen Esszimmer einfliegen
Das NoMad Hotel in New York ließ eigens einen antiken Kamin als Mittelpunkt für eines seiner wunderschönen Esszimmer einfliegen
Kunstvolle Stuckarbeiten und goldene Bilderrahmen sind nur eine Art, wie sich das Clocktower Restaurant des Edition Hotels in New York vor vergangenen Zeiten verneigt
Kunstvolle Stuckarbeiten und goldene Bilderrahmen sind nur eine Art, wie sich das Clocktower Restaurant des Edition Hotels in New York vor vergangenen Zeiten verneigt
Sowohl im Innern als auch in den Außenbereichen des Ace Hotels in Downtown Los Angeles wurden die althergebrachten Stilelemente des ehemaligen United Artists Gebäudes, einst 1927 eröffnet, erhalten
Sowohl im Innern als auch in den Außenbereichen des Ace Hotels in Downtown Los Angeles wurden die althergebrachten Stilelemente des ehemaligen United Artists Gebäudes, einst 1927 eröffnet, erhalten
Die Bemelmans Bar im Carlyle Hotel erhielt ihren Namen von Ludwig Bemelmans, der die Wände 1947 dekorativ bemalte
Die Bemelmans Bar im Carlyle Hotel erhielt ihren Namen von Ludwig Bemelmans, der die Wände 1947 dekorativ bemalte
Der Innenhof des Hôtel Costes in Paris besticht durch seine weitreichenden Efeuranken und großen Statuen
Der Innenhof des Hôtel Costes in Paris besticht durch seine weitreichenden Efeuranken und großen Statuen

Vielleicht ist es das, was Hotels wie das 1930 in New York eröffnete Carlyle zu solch angesagten Plätzen macht. Im Februar erst veranstaltete InStyle eine Party für die frischgebackene Chefredakteurin Laura Brown in der Bemelmans Bar des Hotels, die für ihre Wandgemälde von Namenspatron Ludwig Bemelmans aus dem Jahr 1947 bekannt ist.

Wenn in diesem Herbst das Hotel renoviert wird, will man den Fokus vor allem auf die Gästezimmer und weniger auf die öffentlichen Bereiche richten. (Das ist jedenfalls die Strategie der Designer, darunter Thierry Despont und Alexandra Champalimaud, die das Hotel bereits in der Vergangenheit überarbeitet haben.) Um die Räumlichkeiten zu beleben, wollen Alison Chi und ihr Unternehmen Tzelan eine Reihe von maßgefertigten Produkten entwickeln, die den Stellenwert des Hotels in der Geschichte unterstreichen.

„Für uns geht es stets um Kontext“, sagt Chi über die Herangehensweise ihres Unternehmens an neue Projekte. „Nicht nur in Bezug auf das Innendesign eines Gebäudes, sondern auch in Bezug auf seine Architektur, sein Umfeld, seine Traditionen sowie Gewohnheiten und darauf, wie es sich in die Geschichte seiner Umgebung einfügt.“

Und aufgrund der legendären, 70 Jahre alten Wandmalereien ist es so sicher wie das Amen in der Kirche, dass uns die Bemelmans Bar noch lange erhalten bleibt.
Daniel Scheffler ist ein Autor aus New York. Er schreibt unter anderem Artikel für die New York Times, GQ, und die South China Morning Post.
  • Mit freundlicher Genehmigung von Beekman Hotel
  • Mit freundlicher Genehmigung von Nomad Hotel
  • Mit freundlicher Genehmigung von New York Edition
  • Mit freundlicher Genehmigung von Ace Hotel
  • Mit freundlicher Genehmigung von Carlyle Hotel
  • Mit freundlicher Genehmigung von Hôtel Costes