Wie der Modernismus zeitlos wurde

Modernismus hat seinen Platz in der Ruhmeshalle eingenommen – mit ein kleinwenig Unterstützung von Palm Springs, wo die Bewegung wiederbelebt wurde

Architekturtrends kommen und gehen und früher oder später verlieren die verschiedenen Designrichtungen entweder ihren Status oder sie gehen dauerhaft in die Geschichte ein. Der Modernismus – die intellektuell strenge und progressive Ästhetik, die in den optimistischen Jahren Anfang bis Mitte des 20. Jahrhunderts ihre Blütezeit erreichte – ist heutzutage zeitloser als je zuvor.

Denken Sie zum Beispiel an Kult-Bauwerke wie das Los Altos Neutra House oder das Seagram Building in New York und das Glass House in Connecticut, beide von Architekt Philip Johnson. Waren sie einst radikale Statements, so sind sie nun einflussreiche Symbole klassischen Designs. Während der spielerische, postmoderne klassische Stil, der die 80er und 90er Jahre definierte, nun mehr als überholt wirkt, sind die klaren Linien des Modernismus heute überall zu finden: Angefangen beim Formfaktor eines iPhones oder dem Schnitt eines kleinen schwarzen Kleids von Ralph Lauren Black Label bis hin zu gefeierten neuen Gebäuden, wie z. B. dem bemerkenswerten Shard in London von Renzo Piano und dem künftigen Verkehrsknotenpunkt in der Nähe des World Trade Centers von Santiago Calatrava. Der Modernismus, so viel ist sicher, hat alle Trends überwunden und ist nicht mehr wegzudenken.

Die Renaissance der Bewegung ist nirgendwo offensichtlicher, als in Palm Springs, das Mitte des letzten Jahrhunderts das Mekka der Modernisten war. Denn nun fordert die Stadt ihren Status als Ausflugsziel erster Wahl für Hollywood-Stars und führende Persönlichkeiten der Kunst- und Mode-Welt zurück. In der ursprünglichen Hochphase der Bewegung ließ sich Frank Sinatra das heute berühmte, von E. Stewart Williams entworfene Twin Palms in Palm Springs errichten. Auch Liberace, Katharine Hepburn und Lucille Ball besaßen alle moderne architektonische Schmuckstücke in dieser Gegend. Und der bekannte Fotograf Slim Aarons hielt das Leben der Stars in ihren Swimmingpools und unter wehenden Palmen in zahlreichen Momentaufnahmen fest.

 Einst galt das Seagram Building auf der Park Avenue als radikales Statement; heute ist es ein Symbol klassischen Designs
Einst galt das Seagram Building auf der Park Avenue als radikales Statement; heute ist es ein Symbol klassischen Designs

Heutzutage ist die Stadt sowohl für Neuinterpretationen des modernistischen Designs bekannt – wie z. B. das Ace Hotel, das Mitte des 20. Jahrhunderts als Teil der Howard Johnson Hotelkette errichtet worden war und nun umgebaut wurde, –als auch für neue Investitionen in Klassiker. Vor allem Leonardo DiCaprio förderte mit einem architektonischen Prachtstück das Comeback des Modernismus in Palm Springs und regte den Immobilienboom der Region weiter an, indem er ein 650 m2 großes Haus aus den 1950ern kaufte, das sich zuvor im Besitz von Dinah Shore befand. Und im Jahr 2014 gab der ehemalige Facebook-Vorsitzende Sean Parker 55 Millionen Dollar für eines der landesweit berühmtesten modernistischen Häuser aus: das von A. Quincy Jones entworfene gläserne Brody Haus.

Leuten, deren Geschmack etwas bescheidener ist, empfehlen wir einen Ausflug zur jährlichen „Modernism Week“ in Palm Springs, die im Februar 2015 ihr 10. Jubiläum feiert. Hierbei handelt es sich um die größte internationale Veranstaltung für Modernismus-Enthusiasten, deren Besucherzahlen von 600 im ersten Jahr auf rund 45.000 im Jahr 2014 in die Höhe geschossen sind. Bei der Veranstaltung 2015 können Besucher aus einer Vielzahl von Events auswählen: angefangen bei einem Rundgang in einem Haus aus dem Jahr 1964, das von Innenarchitekt Christopher Kennedy neu gestaltet wurde, um dem heutigen „SoCal“-Lifestyle zu entsprechen, bis hin zu einem seltenen Event mit den Palm Springs Bewohnerinnen Nelda Linsk und Helen „DzoDzo“ Kaptur, die auf der Kult-Fotografie „Poolside Gossip“ von Slim Aaron zu sehen sind. Weiters wird der neue Dokumentarfilm „The Nature of Modernism“ über E. Stewart Williams präsentiert, jenen Architekten, der 1947 das zuvor erwähnte Twin Palms für Sinatra entworfen hatte.

Die Renaissance der Bewegung ist nirgendwo offensichtlicher, als in Palm Springs, das Mitte des letzten Jahrhunderts das Mekka der Modernisten war. Denn nun fordert die Stadt ihren Status als Ausflugsziel erster Wahl für Hollywood-Stars und führende Persönlichkeiten der Kunst- und Mode-Welt zurück.
 Ein lockeres Gespräch in exquisitem Ambiente, von Slim Aarons künstlerischem Auge elegant in Szene gesetzt
Ein lockeres Gespräch in exquisitem Ambiente, von Slim Aarons künstlerischem Auge elegant in Szene gesetzt
Etwas außergewöhnlichere Events sind zum Beispiel die Ausstellung über moderne Puppenhäuser (darunter eines von Charles und Ray Eames, das nie in Serie ging) oder eine Vorführung im berühmten Hotel Lautner von einem australischen Comedy-Duo, das Original-Songs über Architektur vorträgt. (Denn schließlich haben Modernismus-Fans auch einen Sinn für Humor.)

Warum also Modernismus und weshalb gerade jetzt? Rosemary Krieger, Vorsitzende von Dolphin Promotions (der Produktionsfirma von „Palm Springs Modernism Show & Sale“ sowie der Shows „SF20“, „NYC20“ und „Los Angeles Modernism“), schreibt das Comeback der Bewegung praktischen und ästhetischen Gründen zu. „Sehen Sie sich die Häuser von Führungskräften im Technologiebereich an“, so Krieger. „Sie sind im Allgemeinen minimalistisch, nicht überladen oder übermäßig dekoriert. Modernismus ist ein behaglicher, entspannter Lebensstil, der zu ihrem geschäftigen Alltag passt.“ In anderen Worten: Beim Modernismus geht es letztendlich um Eleganz und Schlichtheit. Und wer könnte heutzutage nicht etwas mehr davon gebrauchen?
<span>Das Comeback eines Klassikers: ein Alexander-Haus in Palm Springs, dem Mekka der Modernisten</span>
Das Comeback eines Klassikers: ein Alexander-Haus in Palm Springs, dem Mekka der Modernisten
<span>Die zeitlose Eleganz des Modernismus bildet einen angenehmen Kontrast zur Hektik des Alltags</span>
Die zeitlose Eleganz des Modernismus bildet einen angenehmen Kontrast zur Hektik des Alltags
<span>Albert Freys Haus in den H&#xFC;geln von Palm Springs ist ein Paradebeispiel f&#xFC;r den markanten Desert-Modernism-Stil der Jahrhundertmitte</span>
Albert Freys Haus in den Hügeln von Palm Springs ist ein Paradebeispiel für den markanten Desert-Modernism-Stil der Jahrhundertmitte
Stephen Milioti lebt in New York und schreibt über Design, Architektur, Mode, Kunst und Reisen für The New York Times, New York Magazine, Elle, Fortune, The New York Observer, Departures und Salon.
  • 2011 Getty Images