Segel setzen

Ein Blick auf die Geschichte und Kultur des hawaiianischen Kanusports mit den einheimischen Legenden – und neuen Polo-Models –, die die Tradition fortführen

Im März 1975 geschah etwas Besonderes am Strand der Kāne‘ohe Bay auf der hawaiianischen Insel Oahu: Von dieser Küste stieß zum ersten Mal seit über 400 Jahren ein traditionell gefertigtes, hawaiianisches Reisekanu in See.

Historische Dokumente zeigen, dass diese Boote in der Vergangenheit zu Hunderten oder gar Tausenden vor den Küsten von Hawaii zu sehen waren. Heute kann man sich an den meisten hawaiianischen Stränden schon glücklich schätzen, wenn man überhaupt ein solches Boot erspäht, denn die uralte Tradition der polynesischen Seefahrtkunst war im 20. Jahrhundert beinahe verloren gegangen. Doch dank gemeinnütziger Organisationen wie der Polynesian Voyaging Society (Polynesische Seefahrtvereinigung) und engagierten Studenten, die die fast verschwundenen Kenntnisse der Navigation ohne Instrumente heute wieder erlernen, erlebt das traditionelle hawaiianische Kanufahren eine Renaissance.

Für die farbenfrohe, strandtaugliche Sportswear der Frühjahrskollektion von Polo machten wir uns nach Oahu auf und sprachen mit zwei der Kanufahrer, die die alte Tradition weiterführen: Austin Kino und Hopena Pokipala wiesen uns in die Kunst ein und standen gleichzeitig Modell für die neuen Styles der Saison.

AUSTIN KINO

Geboren und aufgewachsen an der Südküste von Oahu fühlte Austin Kino sich von klein auf zum Meer hingezogen – durch Surfen, Fischen, Kanufahren und anderes. In der High School beschloss er, etwas Neues auszuprobieren: traditionelles polynesisches Kanufahren. Heute ist er 32 und auf Hawaii einer der leidenschaftlichsten Verfechter und Ausbilder dieser Kunst, der dazu regelmäßig monatelange Seereisen ohne die Hilfe von Navigationsinstrumenten unternimmt.

Sie sind ein erfolgreicher Sportler und Lehrer in traditionellem polynesischem Kanufahren. Erzählen Sie mir ein wenig darüber.

Ich paddele und arbeite ehrenamtlich für eine Organisation namens Polynesian Voyaging Society, die sich der hawaiianischen Geschichte der Navigation nach den Sternen verschrieben hat. Angefangen vom Bau der traditionellen Doppelrumpfboote bis hin zur Kunst der Navigation dieser Boote ohne moderne Instrumente, nur mit Hilfe dessen, was in der Natur um uns herum vorgeht.

Außerdem leite ich das Bildungsprogramm „Huli“, bei dem Kinder und Mitglieder unserer Gemeinschaft in diesen Kanus mitgenommen werden, damit sie eine Freizeitbeschäftigung kennenlernen, die in der Geschichte von Hawaii eine große Rolle spielte.

Für jemanden, der nichts über diese Art Kanu weiß: Was sind die Grundlagen?

Es geht vor allem um zwei Dinge: Erstens den Kurs, denn man muss wissen in welche Richtung man fährt. Dank der Sonne hatten Seefahrer eine Vorstellung von Ost und West, und mithilfe von bestimmten Sternen wussten sie, wo Norden und Süden sind. Zweitens ist die Geschwindigkeit wichtig. Anstelle eines Werkzeugs, mit dem man die Reisegeschwindigkeit berechnen konnte, beobachteten sie zum Beispiel, wie schnell schaumgekrönte Wellen oder das Meerwasser an ihrem Fahrzeug vorbeizogen. Darauf musste man ständig achten: In welche Richtung und wie schnell bewegen wir uns.

Zum Thema kulturelle Traditionen meint Austin Kino, dass die Kontaktaufnahme mit einer anderen indigenen Bevölkerungsgruppe eine Vision der Weltumsegelung mit der Hōkūleʻa war. „Wie kennen sie nicht, und sie kennen uns nicht“, meint er. „Doch so etwas Simples wie ein Kanu stellt ganz unerwartet eine Gemeinsamkeit unter Fremden heraus.“
Zum Thema kulturelle Traditionen meint Austin Kino, dass die Kontaktaufnahme mit einer anderen indigenen Bevölkerungsgruppe eine Vision der Weltumsegelung mit der Hōkūleʻa war. „Wie kennen sie nicht, und sie kennen uns nicht“, meint er. „Doch so etwas Simples wie ein Kanu stellt ganz unerwartet eine Gemeinsamkeit unter Fremden heraus.“

Können Sie uns etwas zum Design der Boote erzählen?

Ein wesentliches Merkmal aller polynesischen Kanus ist der Ausleger. Im Gegensatz zu einem Einbaumkanu, das aufgrund seines Gewichts im Gleichgewicht ist, hielten polynesische Kanus die Balance schon immer durch einen mit dem Boot verbundenen, schwimmenden Ausleger. Das ist die wichtigste Eigenart dieser Boote, die von Tahiti bis Neuseeland zu finden waren.

Es gibt kleinere Kanus für Fahrten in Küstennähe. Diese Boote sind etwa zwischen drei und neun Meter lang und haben Platz für bis zu zehn Personen. Sie dienten vor allem dazu, Menschen an andere Stellen auf der Insel zu bringen. Ein solches Kanu haben wir für das Polo-Fotoshooting verwendet. Die hochseetauglichen Reisekanus sind eine Nummer größer. Dabei handelt es sich im Allgemeinen um Doppelrumpfboote. Das heißt, das anstelle eines Auslegers zwei Kanus zusammengezurrt sind. Diese Art Boote, die wir auch in der Polynesian Voyaging Society nutzen, können tatsächlich über 20 Meter lang sein und 15 bis 20 Personen und deren Gepäck transportieren. Damit lassen sich längere Fahrten unternehmen.

Sie haben einige längere Seereisen unternommen. Welche davon waren für Sie am eindrucksvollsten? Gibt es Reisen, die für Sie eine besondere Bedeutung haben, besonders schwierig waren oder auf die sie ganz besonders stolz sind?

Das war zwar vor meiner Zeit, aber die erste Seereise in einem traditionellen Kanu in moderner Zeit fand 1976 statt. Ich erinnere mich an den Bericht darüber im National Geographic: Das erste hochseetaugliche, hawaiianische Kanu, die Hōkūleʻa, legte die Strecke von Hawaii nach Tahiti ohne moderne Navigationsinstrumente zurück. Das war etwas – wird angenommen –, dass seit sechs- oder siebenhundert Jahren niemand mehr getan hatte.

Ich wuchs in einer Zeit auf, in der darüber viel gesprochen wurde. Als Wassersportler wurde ich später gefragt, ob ich für die erste Etappe einer Weltumsegelung Teil des Navigationsteams sein wollte, die die Polynesian Voyaging Society mit der Hōkūleʻa plante. Diese erste Etappe ging von Hawaii nach Tahiti. Die Reise zwischen diesen beiden Orten wird auch als der „Weg unserer Vorfahren“ bezeichnet, und dass ich daran teilnehmen durfte, noch dazu auf diesem Boot ... das war tatsächlich etwas ganz Besonderes.

Es scheint, dass Unterrichten in der Kanusportgemeinschaft einen sehr hohen Wert hat. Sie und Hopena Pokipala haben uns so mit offenen Armen empfangen und in Ihre Welt des Kanusports eingeführt. Sie sind auch beide in Bildungsarbeit eingebunden, um Ihr Können weiterzugeben.

Man kann noch so gut sein und alle Details lernen, aber wenn man keinen Schüler hat, nimmt man seine Fertigkeiten und sein Können am Ende mit ins Grab. Aber Typen wie Hopena und ich hingegen wissen, wie fragil diese Kunst ist und wie wichtig es ist, unser Können an andere weiterzugeben und Menschen mit hinaus aufs Wasser zu nehmen. Uns wurde Wissen frei und großzügig geschenkt. Alles, was wir tun mussten, war Zeit, Energie und Engagement hineinstecken. Und das wiederum heißt für mich, dass wir dafür sorgen müssen, unser Können und Wissen ebenso großzügig weiterzugeben. Und das hat enormen Wert für unsere Gemeinschaft.

Dabei denke ich nicht nur an Kinder. Im Vergleich zu einem Surfbrett, zum Beispiel, sind unsere Kanus relativ sicher. So können wir auch Familien oder ältere Mitglieder unserer Gemeinschaft mit aufs Meer hinausnehmen. Vielleicht waren sie noch nie im Leben auf dem Wasser, sie haben vielleicht nie gesurft und waren noch nie mit einem Schiff unterwegs. Wir können ihnen nun das Land, auf dem sie aufgewachsen sind, vom Meer aus zeigen.

Austin Kino, kurz bevor er von seinem Kanu aus Schnorcheln geht. Kleinere Boote wie das abgebildete, berichtet er, sind zum Segeln in den Küstengewässern vor Inseln gedacht. Die größeren, hochseetauglichen Kanus hingegen können Mannschaft und Fracht über Tausende von Kilometern bringen.
Austin Kino, kurz bevor er von seinem Kanu aus Schnorcheln geht. Kleinere Boote wie das abgebildete, berichtet er, sind zum Segeln in den Küstengewässern vor Inseln gedacht. Die größeren, hochseetauglichen Kanus hingegen können Mannschaft und Fracht über Tausende von Kilometern bringen.

Von Hawaii nach Tahiti ist es ziemlich weit. Wie lange waren Sie damals unterwegs? Und wie fühlte es sich an, diese historische Strecke zurückzulegen?

Die Strecke beträgt ca. 2600 Seemeilen (4800 km), und mit den Passatwinden im Pazifik liegt die durchschnittliche Reisegeschwindigkeit bei fünf Knoten (9,2 km/h). Das heißt, die Fahrt dauert zwischen 28 Tagen und einem Monat.

Auf dieser ersten Fahrt, an der ich teilnahm, gerieten wir in stürmisches Wetter, das uns zügig durch die Kalmenzone brachte, einen normalerweise windarmen Bereich um den Äquator. Deshalb waren wie ein bisschen schneller, wir brauchten 23 oder 24 Tage. Ansonsten kommt man beim Segeln bis ungefähr 5 Grad Nord gut voran. Dann flaut der Wind typischerweise ab und man treibt auf dem Meer dahin, bis man den Äquator überquert hat. Bei ungefähr 3 oder 4 Grad Süd trifft man schließlich auf die südlichen Passatwinde.

Ich erinnere mich an eine Nacht, in der ich nicht Wache hatte und einfach auf dem Deck lag und in den Himmel schaute. Wir flogen nur so dahin, so viel Wind hatten wir. Mein Blick fiel auf die Jungs am Steuer, und da traf es mich wie der Blitz: Unfassbar, dass Menschen lange vor mir so mutig gewesen waren, aufs Meer hinauszufahren, ohne zu wissen, wohin sie unterwegs waren. Seit diesem Moment weiß ich die enorme Erfahrung jener Seefahrer noch mehr zu schätzen, und mir ist bewusst geworden, dass dies Teil unserer Geschichte ist.

In dieser Nacht unter den Sternen hatte ich das Gefühl, dass mich eine Zeitmaschine 800 Jahre in die Vergangenheit zurückversetzt hatte. Genau so fühlte es sich an.

Die Kultur, sein Wissen weiterzugeben oder die Gastfreundschaft, ein Schiff im Hafen willkommen zu heißen – das sind Dinge, die ich mit dem Begriff Aloha Spirit verbinde. Meinen Sie, das dieser Begriff und polynesisches Kanufahren zusammenhängen?

Das ist ein Begriff, der für jeden etwas anderes bedeutet. Aus dem Blickwinkel des Tourismus der 1960er-Jahre vor der Reise der Hōkūleʻa, hatte das Wort vor allem eine Bedeutung. Heute, nach der kulturellen Renaissance, ist tatsächlich eine tiefere Bedeutung hinzugekommen. Aloha ist wohl am ehesten die Beschreibung eines Systems von Gegenseitigkeit – zwischen Mensch und Mensch, zwischen Mensch und Land, spirituell zwischen den Menschen.

„Alo“ ist das Gesicht, „ha“ ist der Atem. Ein physisches Beispiel für „Aloha“ ist die traditionelle Begrüßung – vor COVID, natürlich. Zwei Personen berührten sich mit ihren Nasen und atmeten dabei ein. So tauschten sie das Wertvollste miteinander aus, das sie besaßen: ihre Lebenskraft, ihren Atem.

Das zeigt sich auch in der bereitwilligen Weitergabe von Können und Wissen. Und es war eines der Dinge, die wir auf unserer Weltumsegelung erfuhren, als wir unsere Geschichte teilten und willkommen geheißen und beherbergt wurden. Gleichzeitig damit, dass die Menschen die Kultur und die Traditionen, die unsere Inseln einzigartig und besonders machen, wiedererlangen und neu erlernen, wächst auch ihr Wunsch, all dies mit anderen zu teilen.

Ich habe das Gefühl, dass mein Tagesablauf heute ähnlich dem meiner Vorfahren ist. Das ist ein gutes Gefühl. Und das Erste, wofür ich dieses Gefühl nutzen möchte, ist, es mit einer anderen Person zu teilen. Ich möchte Schüler in ein Kanu setzen und herausfinden, wie schnell sie sein können. Ich möchte ihnen ihr Zuhause vom Meer aus zeigen.

HOPENA POKIPALA

Als geschickter Wassersportler und erfahrener Big-Wave-Surfer war Hopena Pokipala nicht nur Gastgeber des Polo-Teams für unser Fotoshooting. Es stellte auch sein hawaiianisches Segelkanu zur Verfügung, das er während seiner College-Zeit selbst gebaut hat. Hopena Pokipala, der heute 26 ist, segelt damit die Küste entlang, wobei er die traditionelle polynesische Seefahrtskunst nicht nur selbst ausübt, sondern auch lehrt. Zusätzlich nutzt er sein Boot – mit Segel und allem drum und dran – zum Wellenreiten und setzt diesem Sport damit seine ganz eigene Prägung auf.

Wo kommen Sie her und wie kamen Sie zum Segeln?

Ich komme aus Kailua. Das liegt an der Ostseite von Oahu, der dem Wind zugewandten Seite der Insel. In der High School gab es bei uns ein Segelteam, dem ich mich im ersten Jahr anschloss. Ich verbrachte dort viel Zeit, nahm an einigen Regatten teil und verliebte mich in den Sport. Im zweiten Jahr an der High School hatten wir einen Kurs in hawaiianischer Navigation. Nainoa Thompson, der die Polynesian Voyaging Society gegründet hatte und für das traditionelle Segeln in der heutigen Zeit eine wahnsinnig wichtige Figur ist, war als Gastsprecher eingeladen und lud uns auf die Hōkūleʻa ein. Das war der Auslöser für meine Leidenschaft, mehr über das Kanusegeln und meine kulturellen Wurzeln zu lernen. In meiner Kindheit und Jugend nahm ich an Wettkämpfen im Kanufahren teil, einer Sportart, die bei uns weit verbreitet ist. Das Kanusegeln schien mir der nächste Schritt vom Paddeln zum Segeln zu sein.

Hopena Pokipala ist nicht nur ein geschickter Kanufahrer – darüber hinaus ist er ein herausragender Big-Wave-Surfer. Seiner Meinung nach überlappen sich die benötigten Fähigkeiten. „Der Respekt für das Wasser, auch unter Stress einen kühlen Kopf zu behalten, den Ozean „lesen“ zu können – diese Fertigkeiten sind für beides entscheidend.“
Hopena Pokipala ist nicht nur ein geschickter Kanufahrer – darüber hinaus ist er ein herausragender Big-Wave-Surfer. Seiner Meinung nach überlappen sich die benötigten Fähigkeiten. „Der Respekt für das Wasser, auch unter Stress einen kühlen Kopf zu behalten, den Ozean „lesen“ zu können – diese Fertigkeiten sind für beides entscheidend.“

War der Übergang von den gewohnten Segelbooten schwierig, als Sie erstmals Teil des Teams eines traditionellen, hawaiianischen Segelkanus waren?

Es war in der Hinsicht schwierig, als dass es keine Lehrbücher zu traditionellem Kanusegeln, aber massenweise Literatur zum „normalen“ Segeln gibt. Ich musste viel fragen, angefangen damit, wie man ein Kanu zum Segeln takelt. Und alle, die man fragt, haben ihre eigene Erfahrung, ihre eigene Art, diese Dinge zu tun. Das war es, was schwierig war. Aber ich glaube, dass ich dadurch am Ende viel mehr gelernt habe. Es gibt nicht besonders viele Segelkanus, und die Gruppe unserer Mitstreiter ist insgesamt recht klein. Aber wenn man es einmal kann, ist es ganz einfach.

Ich habe das Glück, in meinem Elternhaus zu wohnen. Schon meine Großmutter – geboren in den 1940er Jahren – wuchs hie auf, und das Meer ist sozusagen mein Hinterhof. So weit es möglich ist, bin ich jeden Morgen im oder auf dem Wasser. Wenn der Wind gut steht, gehe ich meistens Segeln. Wenn kein Lüftchen weht, paddle ich oder ich surfe, tauche, irgendwas. Der Pazifik ist ein wichtiger Fixpunkt in meinem Leben.

Das klingt fantastisch. Sie besitzen selbst einige Boote. Möchten Sie mir darüber etwas erzählen? Haben Sie zum Beispiel ein Lieblingsboot?

Das Boot, das wir für das Polo-Fotoshooting verwendet haben. Ich habe es selbst gebaut, als ich am College war. Ursprünglich war mein Ziel, nach dem Schulabschluss kulturelle Segeltouren damit anzubieten. Ich wollte Unternehmer werden, deshalb baute ich das Kanu. Vor allem auf Hawaii ist es jedoch schwierig, die Genehmigungen zu erhalten, um solche Touren legal durchzuführen. Ich arbeite immer noch daran ... Aber immerhin habe ich schon mal das Kanu. Bei Flaute nehme ich das Segel ab und paddle mit dem Boot, oder ich gehe damit Wellenreiten. Ist genug Wind, dann bringe ich das Segel wieder an. Ein äußerst vielseitiges Fahrzeug, kann ich Ihnen versichern.

Sie gehen damit Wellenreiten? Also statt mit einem Board mit einem Kanu?

Das ist eine winzige Nische im Surfsport, aber ja, das machen einige Wenige. Tatsächlich habe ich hier ein Bild von Aka Hemmings auf meinem Schreibtisch stehen. Es zeigt ihn in seinem Auslegerkanu auf einer wohl sechs Meter hohen Welle. Jeden Morgen beim Aufwachen blicke ich darauf als Inspiration.

Das ist eine Art des traditionellem Kanusurfens ohne Segel. Ich mache das mit Segel – nicht auf riesigen Wellen, aber das macht wirklich Spaß. Wie Kiteboarding im Vergleich zum Surfen – das ist sozusagen eine Stufe höher. Mit großen Kanus geht das nicht. Sie sind unhandlich, teuer und schwer zu manövrieren. Mein Kanu ist vergleichsweise leicht und lässt sich einfach drehen und wenden. So habe ich auch heikle Situation damit gut unter Kontrolle.

Wie lang ist das Kanu denn genau? Unglaublich, damit Wellen zu surfen.

Es ist etwas über sieben Meter lang und es hat zwei Ausleger. Es passen bequem vier bis sechs Personen hinein. Ich habe es schon einmal mit 12 Personen versucht ... aber das waren ein paar zu viele!

Es heißt Hōkū Alaka’i, was so viel bedeutet wie „Leitstern“. Ich habe es zu einer Zeit in meinem Leben gebaut, als es das war, was ich machen wollte, und es den Weg beschrieb, den ich einschlagen wollte: Dieses Boot sollte mich dorthin führen. Außerdem hatte meine Großmutter den Spitznamen „Star“, (Stern), sodass der Bootsname eine Hommage auf meine Großmutter und gleichzeitig die Vorfreude auf meine Zukunft und meine Karriere war.

Hopena Pokipala mit seinem Kanu Hōkū Alaka’i. „Eines meiner wichtigsten Ziele war es, ein Kanu zu bauen. 2018 war es fertig“, berichtet er. „Rückblickend war das ein bedeutsamer Moment in meinem Leben.“ Eines Tages möchte er damit zu den weiter draußen liegenden Inseln der hawaiianischen Inselgruppe segeln
Hopena Pokipala mit seinem Kanu Hōkū Alaka’i. „Eines meiner wichtigsten Ziele war es, ein Kanu zu bauen. 2018 war es fertig“, berichtet er. „Rückblickend war das ein bedeutsamer Moment in meinem Leben.“ Eines Tages möchte er damit zu den weiter draußen liegenden Inseln der hawaiianischen Inselgruppe segeln

Erzählen Sie mir auch etwas über die kulturelle Bedeutung, die mit dem Kanufahren einher geht? Sie und Austin Kino sind jung und dennoch führen Sie beide nicht nur selbst diese Tradition fort, sondern bringen sie auch der nächsten Generation bei.

Ich persönlich meine, das wir dafür die Verantwortung tragen – nicht nur gegenüber unserer Familie, sondern gegenüber unserer ganzen Kultur. Vor der Zeit der hawaiianischen Renaissance in den 1970er-Jahren war viel von alldem fast komplett verschwunden. Wir beide sind immerhin in der glücklichen Lage, das fortzuführen, was unsere Vorfahren eine oder zwei Generation vor uns gemacht haben.

Also ja, ich habe definitiv ein Gefühl von Verantwortungsbewusstsein, kuleana auf Hawaiianisch. Außerdem ist es cool, zu sehen, dass ihre Anstrengungen von damals jetzt Früchte tragen. Meine kleinen Cousins gehen zum Beispiel in hawaiianische Immersions-Schulen. Sie sind noch im Kindergarten und sprechen schon fließend Hawaiianisch. Im Gegensatz dazu war es bis in die 1990er-Jahre eigentlich illegal, in der Schule Hawaiianisch zu sprechen. Es tut sich also wirklich etwas. Und alles baut auf dem Vorhergehenden auf, alles ist miteinander verknüpft.

Ihre Beschreibung des Wortes „kuleana“ klingt für mich ähnlich wie Austin Kinos Definition von „aloha“. Welche Bedeutung hat es Ihrer Meinung nach zusätzlich zur wortwörtlichen?

Kuleana bedeutet wörtlich Verantwortung. Aber es ist mehr als nur das. Ich würde es fast als einen Segen bezeichnen, den man in der Lage ist, zu übernehmen. Das Verantwortungsbewusstsein, das Austin und ich glücklicherweise haben, ist mit dem Kanu verbunden, dass es ein Teil unseres Lebens ist und dass wir das Glück haben, diese Leidenschaft weitergeben zu können.

In unserer Gemeinschaft lernt man genau das schon ganz früh. Wir bewundern die Menschen, die am meisten zurückgeben, die sich besonders bemühen, anderen in der Gemeinschaft etwas beizubringen und sie zum Lernen anzuregen. Als ich klein war, habe ich diese Personen stets bewundert und gedacht: „Wenn ich groß bin, möchte ich auch so werden“. Also, was ich damit sagen will, kuleana bedeutet nicht einfach nur Verantwortung, sondern ist mehr etwas wie ein Segen.

Sie sind, glaube ich, auch ein äußerst geschickter Big-Wave-Surfer. Haben Sie das vor dem Segeln gelernt?

Ich surfe mehr als alles andere. Wellenreiten ist eindeutig meine größte Leidenschaft. Ich bin mit Boogieboarding auf der Windseite unserer Insel groß geworden. Denn hier kann man nicht einfach ein Surfbrett im Bus mitnehmen. Und zu unseren Surf-Spots kamen wir nur mit dem Bus. Deshalb geht man mit seinen Freunden Boogieboarding. Mit dem Bus. Bis man in die High School kommt und selbst fahren darf. Das war der Zeitpunkt, als ich mit dem Wellenreiten anfing. Also ungefähr gleichzeitig mit dem Segeln. In meiner College-Zeit habe ich meine Grenzen ausgetestet und immer höhere Wellen geritten. Ich war total fasziniert.

Die Namen von Hopena Pokipalas Boot und dem berühmten Kanu Hōkūleʻa enthalten beide das hawaiianische Wort „hōkū“, das „Stern“ bedeutet und auf die jahrhundertelange Praxis der Navigation nach den Sternen hinweist, die der polynesischen Seefahrttradition zugrunde lag.
Die Namen von Hopena Pokipalas Boot und dem berühmten Kanu Hōkūleʻa enthalten beide das hawaiianische Wort „hōkū“, das „Stern“ bedeutet und auf die jahrhundertelange Praxis der Navigation nach den Sternen hinweist, die der polynesischen Seefahrttradition zugrunde lag.

Ich habe gehört, dass Sie einige ernstzunehmende Wellen gesurft sind.

In meiner Jugend sah ich die Plakate für den „Eddie Aikau Big-Wave-Surf-Wettkampf“. Und es war schon immer mein Ziel, auch große Wellen zu surfen.

Nach der High School ergab sich die Gelegenheit, nach Waimea zu kommen und mit einigen Freunden mein Können zu messen. In der Nacht davor konnte ich nicht schlafen. Meine Gedanken kreisten um den Swell und die riesigen, sechs Meter und höheren, berühmten Hawaii-Wellen. Auf der Fahrt die Küste hinauf wurden die Wellen umso lauter, je mehr wir uns der North Shore näherten – bis wir schließlich das Brechen der Wellen hören konnten und die Straße unter uns förmlich bebte. Wir kamen kurz vor Sonnenaufgang an. In der Bucht waren bestimmt tausend Menschen am Strand, und alle schürten die aufgeregte Stimmung.

Im Licht der Morgendämmerung waren nach und nach die Berge von Wasser auszumachen – die höchsten Brandungswellen, die ich je gesehen hatte. Mein Freund Noah nahm mich das erste Mal dorthin mit, und ich dachte: „Das ist der Moment, auf den ich mein ganzes Leben lang gewartet habe.“ Du siehst die Linie des Horizonts im Meer verschwinden, und alle rufen: „Los, los, los!“ Ich erinnere mich noch, dass mein Gesichtsfeld auf Tunnelblick verengt war, ich hörte mein Herz wie wild klopfen, und dann, als ich mich dazu entschloss, mich aufzurichten, verebbten alle Geräusche um mich herum. Dann ging es abwärts, und damit auch dieser absolut gigantische Adrenalin- und Endorphinstoß.

Das macht süchtig! Ich weiß noch genau, dass mir der Wind ins Gesicht wehte. Und als ich dann von unten zum Wellenkamm hochsah, der höchsten Welle, auf der ich in meinem Leben geritten bin, war das ein wirklich intensiver Augenblick. Plötzlich brach die Welle über mir zusammen und ich wurde unter Wasser gewirbelt. Als ich wieder hoch kam, schoss mir durch den Kopf: „Ok, das war meine erste Erfahrung in Waimea.“ Seitdem bin ich dem Sport verfallen.

Können Sie mir ein paar Details zum Fotoshooting geben und erzählen, was das Boot dabei für eine Rolle spielte?

Beim Shooting habe ich eines der coolsten Erlebnisse meines Lebens gehabt. Zuerst unternahmen wir kleinere Touren an der Küste. Und dann gab uns die Wasserwacht am Set die Erlaubnis für den Versuch, mit dem Kanu eine Welle zu surfen. Er machte das Kanu einfach hinten an seinem Jet-Ski fest und zog uns raus in die Brandung – mit Segel und allem drum und dran. Es gelang uns, zu wenden und einige Wellen zu erwischen. Das war ein magischer Moment. Ich hatte nicht gewusst, dass man ein Kanu auf diese Weise ins Schlepptau nehmen kann.

Was sind Ihre Pläne für die Zukunft, was Segeln, Surfen und das Strandleben angeht? Haben Sie große Ziele auf Ihrer To-Do-Liste?

Eines meiner großen, langfristigen Ziele ist, meine Gemeinschaft davon zu überzeugen, dass alle mit anpacken und wir zusammen ein Reisekanu wie die Hōkūleʻa bauen. In dieses Projekt würde ich gerne die Gemeinde von Kailua einbinden und die Grundschulen mit einbeziehen. Projekte dieser Art gibt es derzeit überall auf den Inseln. In einem der nächsten Orte gibt es ein paar Kanus, die zur örtlichen Grundschule gehören. Und auf dem Lehrplan dort stehen Navigation und hawaiianische Kultur. Ich fände es cool, wenn es das auch in Kailua gäbe. Vielleicht hat irgendwann jeder Distrikt sein eigenes Segelkanu.

Dieser kleine Funke, der gerade aufflammt, könnte ein riesiges Feuer entzünden. Einige meiner Cousins habe ich auf eine Kanufahrt mitgenommen. Sie sind sechs Jahre alt und können schon Steuern und Segeln. Ich hingegen war 15, als ich das erste Mal in einem Kanu mitfuhr, und da saß ich einfach nur hinten drin. Das ist schon ein riesiger Schritt nach vorne, wissen Sie? Ich hoffe, dass sich der Funke weiter in diese Richtung entwickelt.

Andrew Craig ist Redakteur für Herrenmode bei Ralph Lauren.
  • FOTO VON Bailey Rebecca Roberts
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  • Photograph by Hopena Pokipala
  • © Ralph Lauren