Inselschönheit

Wilde Schönheit und Südstaaten-Charme vor der Küste von Georgia

Cumberland Island, direkt vor der Küste Georgias, ist größer als Manhattan und kommt dennoch wie ein wohlbehütetes Geheimnis daher.

Die Insel ist das Zuhause einer schwindenden Population von wilden Pferden sowie von Ruinen ehemaliger Prachthäuser aus dem Vergoldeten Zeitalter. Die kleine Gruppe von menschlichen Bewohnern – ein paar Erben, Wissenschaftler und Beamte – ist sehr achtsam, gastfreundlich, manchmal etwas unzufrieden, jedoch vereint in ihrer Liebe zu diesem öffentlichen Paradies.

Cumberland Island National Seashore wurde durch ein 1972 vom Kongress verabschiedetes Gesetz zum Wildnisgebiet erklärt. Mit Ausnahme einiger tausend Morgen, die sich auf ewig in privater Hand befinden, gehört die Insel eigentlich uns allen. Vorausgesetzt, dass Sie also entweder beim National Park Service (Monate im Voraus) oder beim Greyfield Inn (für eine Reise in die Vergangenheit) eine Reservierung vorgenommen haben, heißen wir Sie herzlich willkommen unter den 300 täglich erlaubten Besuchern.

Es gibt keine Brücke, die den Sund überspannt und die Insel mit dem Festland verbindet. Für die meisten Besucher gibt es nur eine Art, die Insel zu erreichen: Von einem kleinen Fischerdorf legt zweimal täglich eine Fähre ab, die langsam Kurs auf die Insel nimmt. Ihr Weg führt durch salziges Sumpfgebiet, durch Wattenmeer mit watenden Vögeln wie Reihern und Rohrdommeln, entlang der Muschelbänke und vielleicht vorbei an einer Gruppe grasender Pferde.

Auf der anderen Seite angekommen ist man rasch überwältigt von der wunderschönen Vegetation der Insel. Eine einzige Sandstraße schlängelt sich entlang eines Korridors aus Eichen. Gürteltiere rasseln vor sich hin in Böschungen von Sägepalmen. Seinem metrischen Wahrnehmungsvermögen enteignet (ganz zu schweigen von mobilen Diensten), fragt sich der Besucher recht schnell: „Wie spät ist es eigentlich? Wo geht es lang? Wie weit noch?“

Alligatoren sind die ältesten Bewohner hier. Die Hausschweine kamen mit den spanischen Missionaren im 16. und 17. Jahrhundert. Und die Menschen kommen und gehen so regelmäßig, dass die Rehe sie nicht zu bemerken scheinen.

Die ersten dieser Menschen kamen vor über 4.000 Jahren. In der etwas jüngeren Vergangenheit wurde dem amerikanischen Patrioten Nathaniel Greene eine Plantage auf der Insel zugewiesen, nachdem er sein gesamtes Vermögen der Revolution geopfert hatte. Er baute ein Haus namens Dungeness, das abbrannte und von dem Industriellen Thomas Carnegie neu aufgebaut wurde, bevor es Jahre später erneut den Flammen zum Opfer fiel. Seine Ruine befindet sich nach wie vor am südlichsten Punkt der Insel inmitten von Gärten aus zerbrochenen Statuen und vergessenen Nebengebäuden, bewacht von unzähligen Krähen.

Andere Carnegie-Häuser sind nach wie vor recht gastlich, voller althergebrachter Schätze und Familienfotos derer, die hier einst lebten und liebten, in guten wie in schlechten Zeiten. (John F. Kennedy, Jr., heiratete seine Frau in der First African Baptist Church am nördlichen Zipfel der Insel.) Der Park Service hat das Anwesen Plum Orchard, in dem tägliche Führungen angeboten werden, restauriert. Die Wände im Greyfield sind in dunklem Holz gehalten und die Zimmer liebevoll hergerichtet – und alles ist so, wie es immer war. Jeder knackt seine Austern selbst und befindet sich dabei in guter Gesellschaft. In der Honor Bar ist das Licht gedämpft. Im Erdgeschoss werden prächtige Dinner serviert. (Und durch die erst kürzlich durchgeführte Restaurierung erhielt jedes Schlafzimmer ein eigenes Bad.)

Cumberland Island erzeugt damals wie heute ein uriges Flair. Der Klang des Ozeans ermöglicht Koppelnavigation. Der Pioniergeist erwacht. Abseits der ausgetretenen Pfade kann der Besucher Stunden damit zubringen, den 25 km langen Strand zu erkunden auf der Suche nach Abgeschiedenheit, Sonne oder Memento mori im Sand.

Die Küstenvögel fliegen vor einem auf.

Die Wellen schlagen an Land.

Das ist die wilde Seite Amerikas mit dem Herz auf der Zunge. Und wenn der Wind in der Dämmerung aus der richtigen Richtung weht, hört man vielleicht in der Ferne den Trompeter der Naval Submarine Base Kings Bay, wie er „Retreat“ und „To the Colors“ spielt. Schnell und viel zu früh bricht die Nacht herein. Die Temperaturen fallen. Der letzte Außenposten auf dem Festland ist nur noch ein blinkendes Licht am dunklen Horizont. Und reicht es nicht zu wissen, dass er da ist?
Hartford Gongaware ist ein Schriftsteller aus Savannah, Georgia.
  • FOTO VON GABRIEL HANWAY
  • FOTOS VON PETER FRANK EDWARDS UND GABRIEL HANWAY; MIT FREUNDLICHER GENEHMIGUNG DES GREYFIELD INN