Livingston Manor im Aufschwung

Der Geheimtipp in den Catskills

Willowemoc Creek und Beaverkill heißen zwei der bekanntesten Forellenflüsse im Nordosten der USA, die in Roscoe im Bundesstaat New York zusammenfließen und ein äußerst ertragreiches Paradies für Angler bilden. Nur rund 11 Kilometer stromaufwärts münden ganz andere Strömungen in ein kulturelles Auffangbecken, das nicht nur Anglern gefällt.

Livingston Manor (rund 1.200 Einwohner) ist an einem kritischen Punkt angekommen, an dem kleine Ortschaften nicht lange bleiben – vor allem nicht in den Catskills, wo ständig neue Leute aus dem nahe gelegenen New York auf ein Wochenende vorbeischauen. Das Städtchen ist sich treu geblieben, auch wenn Auswärtige ihm jetzt den notwendigen neuen Schwung verleihen. Sein Charakter ist in der Gegend einzigartig – eine Mischung aus Naturverbundenheit und Tradition, Arbeiterklasse und City-Chic. Das Leben in „the Manor“, wie es die Einheimischen nennen, ist traditioneller als man es im Rest des Hudson Valleys kennt, aber nicht so künstlerisch-ländlich wie in anderen Teilen der Catskills. Im Gegensatz zu diesen vielbesuchten Orten findet man hier genau das, was die Leute vor 100 Jahren bei ihren Ausflügen aufs Land zu schätzen wussten.

Auf der Main Street reihen sich schicke neue Läden an bescheidene lokale Geschäfte. Die neuen Shops werden vor allem von der wachsenden Zahl an Wochenendausflüglern besucht, und auch der alte Geldadel aus dem nahegelegenen malerischen Lew Beach, der aus Saison- und Wochenendanrainern besteht, hat nun einen Grund mehr, hier vorbeizuschauen. Kein Wunder, gibt es jetzt doch zwei neue Hotels mit Nostalgiefaktor und großartige Möglichkeiten für Sportler und Angler, vor allem Fliegenfischer.

Diese geheiligten Gewässer waren auch für die erste touristische Blütezeit verantwortlich, die sich von der Jahrhundertwende bis zum Zweiten Weltkrieg erstreckte – eine Zeit, in der Angelausflüge, Pfeifenrauchen und Picknicks im Grünen Mode waren. Sims Foster, Besitzer der beiden neuen kleinen Hotels in Manor sowie zweier weiterer in der Nähe, hat sich viele Gedanken über diese vergangene Ära gemacht. Er nennt es das „silberne Zeitalter“ der Catskills, das vom späteren goldenen Zeitalter überschattet wird, als ein Massentourismus in den Resorts weiter im Süden aufkam – dort wo 1987 der Film Dirty Dancing gedreht wurde.

Ihr Store im nahegelegenen Narrowsburg „ist mehr Vintage, mehr Brooklyn. Hier ist alles edler.“

Fosters Familie lebt schon seit vier Generationen hier. Mehr als jeder andere hat er sich in den vergangenen Jahren für den Wiederaufbau der Stadt eingesetzt, die nach den 1960er-Jahren in Verfall geraten war. Dabei geht er sorgsam und taktvoll mit der greifbaren Geschichte der Ortschaft vor. Vor einigen Jahren gab er seinen Job in der Gourmet-Gastronomie in Manhattan auf, um mit seiner Frau Kirsten Harlow Foster zurück nach Hause zu ziehen und sich vollständig diesem Projekt zu widmen. (Je nach Verkehrslage ist New York City etwa zwei Autostunden entfernt.)

2014 eröffneten er und seine Frau „The Arnold House“, ein Hotel mit Restaurant, das nur fünf Minuten von der Main Street entfernt auf dem Shandelee Mountain liegt. Ihr Ziel bestand darin, die Lebhaftigkeit alter Catskills-Gasthäuser einzufangen, was ihnen mit einer Jukebox, Möbeln aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts und einer alten Square-Dance-Scheune, die für Grillfeste umgebaut wurde, gelungen ist. Das DeBruce ist intimer gehalten und wartet mit 14 Zimmern, Spa und Pool auf. Es ist direkt neben dem plätschernden Willowemoc Creek gelegen, in dem man hervorragend angeln kann. (Vertrauen Sie mir, ich weiß, wovon ich rede.) In einem 250 Hektar großen Waldgebiet mit 8 km Wanderwegen (die bald auf 48 km ausgebaut werden) können Besucher an geführten Ausflügen und Schneeschuhwanderungen teilnehmen. Außerdem werden Angelstunden angeboten. Hunde sind stets willkommen. Die allgemeine Stimmung ist entspannt. Man kommt sich vor, als würde man in der Villa eines reichen Schulfreundes übernachten.

Im hellen Restaurant trifft das silberne Zeitalter der Catskills auf lokale kulinarische Genüsse. Jeden Samstag gibt es hier ein anderes Menü zum fixen Preis, bei dem alles aus der Gegend stammt. Eingelegte Farnspitzen, wilde Weinblätter und Beifuß aus dem nahen Wald auf einem Bett aus wilden Zwiebeln werden gereicht. Darauf folgen weitere einheimische Delikatessen, wie Beaverkill-Forelle und Schmetterlingsporling. Buchen Sie im Voraus, denn das extravagante neungängige Abendessen wird nur samstags angeboten.

Vom DeBruce sind es nur 20 Minuten über eine malerische Straße nach Lew Beach, das genauso aussieht, wie man sich ein verschlafenes amerikanisches Städtchen vorstellt – mit alten Bauernhäusern und weißen Gartenzäunen. Alles ist jedoch überraschend neu, denn die Ortschaft entwickelte sich erst in den 1980er-Jahren zu ihrer heutigen Form. Ein Rockefeller hatte Land erworben und verkaufte es nur unter strengen ökologischen und architektonischen Auflagen, um die Gegend so zu erhalten, wie sie einmal war.

Diese erzwungene Konservierung in Lew Beach fällt auf: Sogar die einzige Tankstelle weit und breit gibt sich traditionell ohne Schilder. Und das Beaverkill Valley Inn, an dem mehrere Einwohner mitbeteiligt sind, wird oft für einen Country Club gehalten. In Lew Beach setzt sich jeder einzelne für die Verbesserung der Community ein. Das Ergebnis ist ein hübsches Städtchen, das definitiv einen Besuch wert ist.

Über die gleiche kurvige Straße komme ich wieder zurück zum Catskill Fly Fishing Center and Museum, in dem die Fliegenfischer-Legenden der Gegend verewigt sind – und darunter sind mehr Frauen, als man vielleicht denkt. Weitere fünf Minuten später bin ich wieder auf der Main Street mit ihrem auffallenden Mix – eine kleine Apotheke und ein Frisörladen sind ebenso vertreten wie der lokale Bio-Markt Main Street Farm, der Audis und Volvos aus der ganzen Umgebung anzieht. Nicht zu vergessen sind die Naturschutzgesellschaft Catskill Mountainkeeper, die vom Sohn des renommierten Umweltschützers John H. Adams geführt wird, und eine kleine Boutique namens Nest, in der Anna Bern, ehemals Design Director bei Vogue, ausgewählte Produkte anbietet.

Sie hat einen zweiten Laden im nahegelegenen Narrowsburg. „Der ist mehr Vintage, mehr Brooklyn“, erklärt Bern, als ich bei ihr vorbeischaue. „Hier ist alles edler.“ Daneben hat ein neues Weingeschäft eröffnet und gegenüber gibt es im Kaatskeller, der vom Inhaber der Main Street Farm und einigen Sommerfrischlern betrieben wird, Holzofenpizza.

Die wirtschaftliche Vergangenheit von Livingston Manor (Gerberei, Holz und Tourismus) erzählt die bekannte Geschichte vom ländlichen Auf- und Abschwung. Im Moment geht es klar bergauf. Das liegt vor allem an den Einwohnern, die sich für die Zukunft einsetzen, ohne dabei die Vergangenheit aus den Augen zu verlieren. Bei jeder Entwicklung besinnen sie sich auf die Ursprünge – auch wenn die Mischung aus Fliegenfischen, Beifußsalat, Blaublütern und Grillscheunen garantiert nicht so ist, wie es sich die Angler der Jahrhundertwende vorgestellt haben.
Darrell Hartman lebt als freiberuflicher Autor in New York City. Er ist zudem Redakteur und Mitbegründer der Website Jungles in Paris.
  • Fotos von Sean Burke