Den Dresscode knacken

Eine kurze Geschichte der Schuluniform – Gleichmacher auf dem Spielfeld der Mode und Quelle des rebellischen Stils

Ein Blazer mit Wappen, ein makelloses Button-down-Hemd, eine Chinohose oder ein Faltenrock, und das jeden Tag: Das ist die einfache Standard-Schuluniform. Das Outfit würde genauso gut auf den Campus der Harker School in San José, Kalifornien, passen wie an die Phillips Exeter Academy in Exeter, New Hampshire, oder an die Spence School in New York City.

Die akademische Uniform gibt es ungefähr seit dem 16. Jahrhundert, als eine frühe Version des marineblauen Blazers, der damals etwas länger war, aber schon die verräterischen Metallknöpfe aufwies, an englischen Armenschulen getragen wurde. Damals stellten die wohlhabenden Bürger Londons den ärmsten Schülern Kleidung für den Unterricht zur Verfügung. Die Uniformen gingen als „Blue Coats“ (blaue Mäntel) in die Geschichte ein. Noch heute tragen Schüler der Christ's Hospital School, der angeblich ersten Bildungseinrichtung, die Uniformen einführte, ähnliche Modelle.

                            Der britische Schuljungen-Look, ca. 1972
Der britische Schuljungen-Look, ca. 1972

Das seit fast sechs Jahrhunderten existierende legendäre Eton College in England führte Uniformen ein, um gleiche Voraussetzungen für seine Schülerschaft zu schaffen, die traditionell aus Adeligen und Kindern der Mittel- und Unterschicht bestand. Der unverwechselbare Frack der Schule hat den Standard für private Schuluniformen festgelegt und amerikanische Designs inspiriert, sagt Valerie Steele, Leiterin und Chefkuratorin des Museum at the Fashion Institute of Technology in New York. Denn wenn man sich an der Uniform einer Schule orientieren möchte, dann eignet sich die der Eton School, wo der Adel und die Premierminister von morgen ausgebildet werden, am besten, so Steele.

Man sagt, dass Kreativität sich entfaltet, wenn man ihr Grenzen setzt. Und so haben sich Kinder seit Generationen gegen die Einschränkungen der Kleiderordnung an Schulen aufgelehnt, indem sie mit subtilen Veränderungen ihrem persönlichen Stil Ausdruck verliehen. Im frühen 20. Jahrhundert, so Steele, war es für Jungen üblich, ihre Krawatten zu lockern oder ein zerknittertes Hemd (sowohl aus praktischen Gründen als auch aus Auflehnung) zu tragen. Und als die Mode in den 1960er-Jahren von der Feministenbewegung beeinflusst wurde, haben Mädchen den Bund hochgerollt, um einen möglichst kurzen Rock zu erhalten, der bei der Schulleiterin gerade noch durchging.

„Vor den 1960er-Jahren sah man Kinder, die keine Uniformen per se tragen mussten – die Jungen trugen Sakkos und die Mädchen Strumpfhosen und Perlenketten, besonders an Colleges“, meint Steele. „Dann kam jedoch die große Kluft zwischen dem Stil der Jugendlichen und dem der Erwachsenen“, was dazu führte, dass die jüngere Generation anfing, die Kleiderordnung ihrer Eltern abzulehnen.

Die Uniform überlebte diese Zerreißprobe, genau wie der rebellische, jugendliche Geist dieser stürmischen Zeit. „Wenn sie eingeschult werden, möchten die Kinder möglichst erwachsen wirken und mögen deshalb Uniformen, so wie sie am Anfang noch gerne Hausaufgaben machen“, erklärt Lisa Birnbach, die in den 1980er-Jahren das Buch The Official Preppy Handbook herausgegeben und im Jahr 2010 als Coautorin an dem Werk True Prep: It’s a Whole New Old World. mitgewirkt hat. „Das geht natürlich schnell vorbei.“ Wenn die Kinder älter werden, so Birnbach, durchbrechen sie oft Grenzen, auch wenn die Rebellion sich eher in einem Sitzstreik als in einem Bürgerkrieg äußert. „Ich bemerke diesen Trend jetzt. Ich lebe an der Upper East Side in New York, wo die Mädchen im Winter alle Kaschmirpullover mit Zopfmuster in den verschiedensten Farben über ihrem Hemd tragen. Es ist wie ein Meer aus kuscheligem, reizendem, luxuriösem Kaschmir in Tutti-Frutti-Farben“, fügt Birnbach hinzu.

Birnbach hat auch ein Mini-Revival des Gothic-Looks erlebt, der ursprünglich an Privatschulen in den 1980er-Jahren entstanden ist. Damals trugen Mädchen zerschlissene Leggings zu ihren karierten Röcken und ergänzten das Outfit vielleicht noch um ein Paar Armee- oder Biker-Stiefel. Diesen Look findet Birnbach immer noch besser als frierende nackte Mädchenbeine in Lammfellstiefeln. Besonders zugetan ist sie aber den Kniestrümpfen, die sie als das charakteristische Element einer Schulmädchenuniform ansieht.

„Ein karierter Rock, ein nettes Button-down-Hemd, ein Hemdleid – das sieht man immer wieder auf dem Laufsteg“, sagt Steele. „Das steht sowohl bei Herren- als auch bei Damenkleidung für Jugendlichkeit.“

                            Der Ralph-Lauren-Look, ca. 2015
Der Ralph-Lauren-Look, ca. 2015
Die ehemalige Modeautorin für The Associated PressSamantha Critchell, ist heute Senior Director der Abteilung Online-Kommunikation für Ralph Lauren.
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