Café-Gesellschaft

In Londons Café Royal treffen seit mehr als einem Jahrhundert Freigeister auf die High Society

Am 3. Juli 1973 spielte David Bowie sein „Abschiedskonzert“ im Londoner Hammersmith Odeon. Am folgenden Abend schmiss er eine Abschiedsparty für Ziggy Stardust und, wie erwartet, war die Gästeliste spektakulär. Paul McCartney, Ringo Starr, Barbra Streisand, Cat Stevens, Sonny Bono, Keith Moon, Mick Jagger und Lou Reed waren dabei. All diese Ikonen der Musik in einem Raum. Als Ort für diese legendäre Party wählte Bowie das Café Royal auf der Regent Street, eine Londoner Institution seit über 100 Jahren. Bowie hatte bereits viele Aftershow-Partys hier abgehalten, doch diese Nacht sollte anders werden. Es sollte sein „Last Supper“ (letztes Abendmahl) sein.

Während die Fans schon draußen standen, fuhr der innere Zirkel im Rolls-Royce oder Bentley vor, schritt durch den honigfarbenen Marmoreingang des Cafés und verteilte sich auf die verschiedenen Räumlichkeiten. Eine davon der Grill Room, ein dekadenter Salon im Stil von Louis XIV mit hohen Spiegelwänden und üppig vergoldeten und von Karyatiden bekrönten Säulen (siehe oben). Bowie betrat die Szene in einem eisblauen Anzug gemeinsam mit seiner Frau Angie. Der DJ legte Rock ’n’ Roll und Soul auf, und das Menü bot Lachs, Erdbeeren mit Sahne und viel Champagner. Der Abend nahm Schwung auf. Angie Bowie tanzte mit Bianca Jagger, während Bowie selbst mit Lou Reed intim wurde. Das Kleid von Cherry Vanilla, Bowies Publizistin, riss, als sie aus ihren hohen Plateau-Schuhen fiel, und eine Frau namens Laurita entblößte sich angeblich vor Barbra Streisand.

Irgendwie ein weiterer ganz normaler Mittwochabend im Royal.
                            Lou Reed, Mick Jagger und David Bowie bei Bowies „letztem Abendmahl“
Lou Reed, Mick Jagger und David Bowie bei Bowies „letztem Abendmahl“

Bowie war nur einer von vielen, der das Londoner Café zu seinem Stammlokal gemacht hatte. Im Laufe der Jahre stießen Boxer, Rocker und Blaublüter im Café Royal mit Champagner an. Jeder Star brachte ein bisschen mehr Glamour und Bekanntheit mit, was das Lokal zu einer echten Legende machte.

Das im Jahr 1865 von Daniel Nicholas Thévenon, einem französischen Weinhändler, der aufgrund seines Bankrotts von Paris nach London floh, eröffnete Café verlieh dem viktorianischen London einen Hauch kontinentaleuropäischen Schwungs. In den 1890er-Jahren war es bekannt für seinen weltbesten Weinkeller und für seine Gäste, die nicht nur aus der Aristokratie, sondern auch aus der Demimonde stammten: Oscar Wilde trank hier Seite an Seite mit Illustrator Aubrey Beardsley und Okkultist Aleister Crowley seinen Absinth. In den 1920er-Jahren speisten Virginia Woolf, Noël Coward und Winston Churchill regelmäßig im Café Royal, und in den 1950ern wurde es zum Sitz des National Sporting Club. So sahen Gäste in Abendrobe und Smoking am Ring live zu, wie Boxer wie Muhammad Ali ihre Titel verteidigten. Auch die Schönheiten des Jetsets waren oft im Café anzutreffen. Brigitte Bardot und Elizabeth Taylor wählten nicht selten den Londoner Hotspot, um ihre neusten Juwelen zu präsentieren. Die Königsfamilie ging hier ebenfalls ein und aus. Die späteren Könige Edward VIII und George VI kamen oft zum Mittagessen (wie ein alter Zettel von einem Kellner beweist: „Kein Schnickschnack. Immer einfache Speisen. Sofort den Oberkellner rufen und den Geschäftsführer benachrichtigen.“)

Im Jahr 2008 kauften die Hoteliers Alfred und Georgi Akirov (Vater und Sohn) das Café Royal. Nach einer vierjährigen Renovierung erstrahlt das Gebäude nun in neuem Glanz und beheimatet ein Luxushotel. Das Café Royal öffnete 2012 erneut seine Tore – geschmackvoll restauriert und schöner denn je. Dank Architekt Sir David Chipperfield, der schon das Neue Museum in Berlin restaurierte, wurde das Hotel sofort zu einem neuen Wahrzeichen der Stadt, nicht nur aufgrund seiner Geschichte, sondern auch wegen seines zeitlosen Designs und unverwechselbaren britischen Looks, der die Belle-Époque-Fassaden der Regent Street auch ins Innere des Hotels bringt.
                            Die historische Fassade des Café Royal auf der Regent Street
Die historische Fassade des Café Royal auf der Regent Street

Heute können Besucher ihren Royal Tea in der Oscar Wilde Bar (ehemals Grill Room) einnehmen, in der Green Bar an Cocktails (oder Absinth) nippen, im Ten Room speisen und anschließend im ersten Dessert-Restaurant der Stadt den Abend süß ausklingen lassen. Im Untergeschoss bietet das Akasha Spa einen 18-m-Swimmingpool, Dampfbad und Sauna, während sich in den oberen Etagen geschmackvoll eingerichtete Penthouse-Suiten befinden.

Doch die wahre Faszination des Hotels liegt in seiner Geschichte. Es ist der Goldstaub, der von Generationen von Genussmenschen, von Charles Dickens bis Prinzessin Diana, dort hinterlassen wurde. Besucher sollten sich keinesfalls die Oscar Wilde Bar entgehen lassen, wo David Bowies „letztes Abendmahl“ stattfand und Louis Armstrong regelmäßig auftrat. Seit 150 Jahren ist es das Herzstück dieses Hauses. Innen warten sanftes Gelächter, der Klang klirrender Champagnergläser und der Wunsch, etwas länger zu bleiben, um zu sehen, was der Abend noch bringt.
<span lang="FR">Die private Terrasse der Dome Suite</span>
Die private Terrasse der Dome Suite
Die Green Bar des Hotels bietet eine breite Auswahl an Absinth-Sorten und Cocktails
Die Green Bar des Hotels bietet eine breite Auswahl an Absinth-Sorten und Cocktails
<span lang="DE">Die W&#xE4;nde der Regent Suite sind an die Steinfassaden der H&#xE4;user auf der Regent Street angelehnt</span>
Die Wände der Regent Suite sind an die Steinfassaden der Häuser auf der Regent Street angelehnt
Parkettboden im Chevron-Muster und ged&#xE4;mpfte Farben im Schlafzimmer der Regent Suite
Parkettboden im Chevron-Muster und gedämpfte Farben im Schlafzimmer der Regent Suite
Die freistehende Badewanne in der Dome Suite
Die freistehende Badewanne in der Dome Suite
Daniel Scheffler ist ein Autor aus New York. Er schreibt Artikel für die New York Times, GQ, und die South China Morning Post.
  • MIT FREUNDLICHER GENEHMIGUNG VON HOTEL CAFÉ ROYAL
  • MIT FREUNDLICHER GENEHMIGUNG VON GETTY IMAGES